Die moderne
Frau
von heute

Auf der Suche nach gutem Essen und guter Unterhaltung schaut Jane Larkworthy in zwei angesagten New Yorker Restaurants vorbei
Um die Kunst der guten Bewirtung meistern zu können, zahlt es sich aus, von den Besten zu lernen. Und hier in New York gibt es für die Gestaltung eines gelungenen Abends keine Besseren als Angie Mar, die Chefköchin des neu eröffneten Beatrice Inn, sowie Clare de Boer, Jess Shadbolt und Annie Shi, die das King in Soho zu einem der meist besuchten und am besten bewerteten Restaurants 2017 gemacht haben. Um herauszufinden, wie sie das machen – und um Ihnen Anregungen zu geben, wie Sie Ihren Gästen zuhause zu den Feiertagen etwas von diesem Zauber bieten können – haben wir die Schriftstellerin, Redakteurin und modebewusste moderne Frau Jane Larkworthy gebeten, den beiden Restaurants einen Besuch abzustatten. Zwei unvergessliche Nachmittage (und mehrere Happen von mit Whisky mariniertem Steak) später, erfahren wir hier, was sie erlebt hat.

I. Ein seltener Fund

Angie Mar steht in der Küche des Beatrice Inn in New York und blickt prüfend auf eine Rinderrippe. In den Seiten stecken blasse Lavendelknospen, die Struktur erinnert an ein marmoriertes Mosaik – alles in allem eine Vision von Schönheit. Sie gibt ihr Okay und die stellvertretende Küchenchefin Nicole Averkiou bringt alles zum Grill.

Eines der ersten Dinge, die mir an Angie Mar aufgefallen sind, ist ihr Stil. Obwohl sie nicht die größte Person im Raum ist, besticht sie durch ihre Ausstrahlung. Sie hat langes, rabenschwarzes Haar. Ihr Blick ist durchdringend und die Augenlider wirken bedeutungsschwer unter einem schwarzen Lidschatten. Sie trägt einen Vintage-Leopardenmantel über einem schwarzen Lederhemd. Mar macht klare Ansagen, kann jedoch auch jederzeit in ein lautes Lachen ausbrechen.

Ihre Geradlinigkeit in der Küche entspricht der Art, wie sie die beiden Speiseräume im Beatrice eingerichtet hat: Der eine ist ähnlich einem Herren-Club dunkel und mit Holz verkleidet, während der andere in eine luftig-leichte Retro-Safari-Atmosphäre getaucht ist. Das Tafelgeschirr mit dem Leopardenmuster aus Ralph Laurens Home-Kollektion reflektiert – insbesondere vor den dunkelgrünen Bänken und weißen Tischdecken – Mars Vorliebe für einen markanten Stil.

„Ich möchte, dass die Menschen ins Beatrice kommen und seine gelebte Geschichte spüren“, sagt Mar. „Ich fühle mich geehrt, in einem Restaurant mit so reichhaltiger Geschichte Teil der nächsten Epoche zu sein.“

Vor gut einem Jahr hat Mar das Beatrice Inn von Grayson Carter und seinen Partnern Emil Varda und Brett Rasinski gekauft (seit 2013 war sie dort Küchenchefin). Nach der Neueröffnung schaffte sie den Dresscode ab und verwandelte die Speisekarte in ein Vergnügen für Fleischliebhaber, wobei sie entscheidend von dem französischen Metzger Yves-Marie Le Bourdonnec beeinflusst wurde, dessen Steak sie in Paris gegessen hatte und danach, ohne zu zögern, vom Meister selbst die Kunst des Reifens von Rindfleisch erlernte. „Ich spreche kein Französisch, und er spricht kein Englisch, aber wir haben uns über den Geschmack und Geruch der Nahrungsmittel und ihr Aussehen verständigen können“, erzählt sie.

Mar kam nach Hause zurück und begann, ihre eigene Version von gereiftem Rindfleisch zu entwickeln, und probierte aus, wie viele Tage am besten sind, um das in Whisky getränkte und in Tücher gewickelte Rindfleisch perfekt reifen zu lassen. Sie hat mit 160 Tagen den Nagel auf den Kopf getroffen, und damit amerikanische Regeln umgekrempelt, was sich schnell herumsprechen sollte.

„Ich weiß immer noch nicht, wie meine Technik funktioniert oder warum ich 20 Prozent mehr Ertrag aus meinem whiskey-getränkten Rindfleisch erhalte, als wenn es nicht in Whiskey gereift wäre“, erzählt sie lachend. „Aber ich muss es nicht unbedingt wissen, weil ich weiß, dass es funktioniert. Die Wartezeit für eine Reservierung liegt normalerweise bei einem Monat, aber ich lege Wert darauf, dass wir genug Platz für unsere Stammkunden haben.“
 Jane Larkworthy (<em>links</em>) mit der Besitzerin und K&#xFC;chenchefin des Beatrice Inn, Angie Mar
Jane Larkworthy (links) mit der Besitzerin und Küchenchefin des Beatrice Inn, Angie Mar

Gastfreundschaft liegt Mar im Blut. Ihre Tante war Ruby Chow aus dem gleichnamigen Restaurant in Seattle, das jedoch schon vor Mars Geburt geschlossen wurde. „Sie hatte immer die Gastfreundschaft und die damit verbundene Unterhaltung in den Vordergrund gestellt“, erinnert sich Mar. „Ich habe also früh gelernt, wie wichtig das ist.“

Vielleicht rührt es daher, dass ihr die Profi-Küche, trotz einer erfolgreichen Karriere in der Immobilienbranche, so verlockend vorkam. „Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt in meiner Haut wie jetzt als Chefköchin. Wir alle möchten beflügelt werden von dem, was wir tun, und ich bin sehr dankbar, dass ich diese Hingabe gefunden habe.“

Mars Leidenschaft für das, was auf dem Teller angerichtet wird, macht sich auch am Tisch bemerkbar. „Am Ende meiner Speisekarte steht ein Zitat von Hyman G. Rickover, das besagt: ‚Der Teufel steckt im Detail. Ist aber auch die Rettung.‘ Ich denke, das ist ein Motto, nachdem man leben kann. Wir leben diese Philosophie in unseren Drinks, wir geben sie in unsere Speisen und auf den Tisch. In einem Restaurant beginnt alles am Tisch.“
‚Der Teufel steckt im Detail. Ist aber auch die Rettung.‘ Ich denke, das ist ein Motto, nach dem man leben kann.
Mar und ich sitzen auf einer Eckbank in dem hinteren Esszimmer. Als das erste Stück Rindfleisch förmlich auf meiner Zunge explodiert, schließe ich meine Augen und genieße den Geschmack. Mar nimmt den Knochen ihres berühmten Tomahawk Rib Eye Steaks auf, fängt an, das Fleisch abzuknabbern und deutet zu mir hinüber, dasselbe zu tun. Vegetarier wären fassungslos. Ich hingegen zögere nicht.
 <em>Links</em>: <rlmag_link productid="77681">Ess- und Salatteller Hutchinson</rlmag_link>, Weinkelch Norwood, Besteck Academy; <em> Rechts </em>: Weinkelch Norwood, Besteck Academy, Dessertteller Hutchinson, goldene Servierplatte Somerville, Duftkerze Leigh
Links: Ess- und Salatteller Hutchinson , Weinkelch Norwood, Besteck Academy; Rechts : Weinkelch Norwood, Besteck Academy, Dessertteller Hutchinson, goldene Servierplatte Somerville, Duftkerze Leigh

„Wir sind ein sehr spezielles Restaurant und wir haben ein spezielles Augenmerk hier“, sagt sie. „Ich möchte mich nicht dafür entschuldigen müssen, niemals.“ Sie hofft, schon bald auch auf der anderen Seite des großen Teichs eine bekannte Größe zu werden. Pläne, ein Beatrice Inn in London zu eröffnen, nehmen erste Formen an. „London hat die richtige Stimmung für unsere Speisen, deshalb passt unser Menü so gut“, bestätigt sie. „Meine Mutter ist dort groß geworden, es fühlt sich an wie nach Hause zu kommen.“

In diesem Jahr jedoch fährt sie zunächst zurück an den Ort ihrer eigenen Kindheit nach Seattle, wo das Thanksgiving Dinner für fast 25 Personen zuzubereiten ist. „Mein Vater ist eines von 10 Kindern, und wir sind alle verrückt nach Essen. Es gibt natürlich Truthahn, aber auch Cornedbeef, Rippchen. Und wir machen immer die Füllung meines Vaters für den Truthahn, das ist eine wundervolle Mischung aus Ost und West. Er macht sie mit Brioche-Brotkrumen, Chinasoße Lap Cheong, Schinken, Shitake-Pilzen und Austern und natürlich mit Kräutern. Es ist die verrückteste Füllung, die man je gesehen hat.“

Mar ist mit ihrem Personal, das den größten Teil von Tag und Abend miteinander verbringt, eng verbandelt, und sie feiern ihr eigenes Vor-Thanksgiving, an dessen Zubereitung sich alle beteiligen und sogar ehemalige Angestellte kommen.

Sie träumt davon, ihre Familien im Beatrice und in Seattle irgendwann einmal zusammen zu bringen und zählt auf, wer zu diesem imaginären Feiertag eingeladen werden würde.

„Julia Child würde den Truthahn schneiden, unser Sommelier Nathan Wooden den Wein servieren und Antanas, unser Barkeeper, den Weihnachts-Absinthpunsch zubereiten. Mein Vater würde die ganze Flasche Madeira 27 austrinken, na ja, vielleicht würde er Auguste Escoffier etwas abgeben. Marco Pierre White würde auch dabei sein, hinter mir stehen und immer mein Essen kritisieren. Mein Gott, wäre das schön.“

II. Die Königinnen des King

Als der Gastronomie-Kritiker der New York Times Pete Wells im letzten Juni seine erste Kritik über das Restaurant King schrieb, begann er damit, wie ein guter Freund und Stammgast die Erfahrung beschrieb: „Essen auf einem Teller in einem Raum.“

Es war eine flammende Kritik, jedoch erinnerte uns Wells mit seinem kurzen Plädoyer in der Einleitung daran, was am Essen so wichtig ist. Ich möchte eigentlich die Worte „sorgfältig zubereitet“ vor „Essen“ stellen, und „dezent chic“ vor „Teller“. Und „Raum“ würde ich von „wie Sie ihn gern zuhause hätten, aber nie so hinkriegen würden, wie es dort gelungen ist“ folgen lassen.

Das King wird von drei Frauen betrieben: den Chefköchinnen Clare de Boer und Jess Shadbolt sowie deren Partnerin Annie Shi, die im Gästebereich ihren Mann (oder ihre Frau steht). Sie waren hocherfreut, dass Wells ihre Botschaft laut und deutlich weitergegeben hat.
 <em> Links </em>: Die Besitzerinnen des King, Jess Shadbolt, Annie Shi und Clare de Boer mit Jane Larkworthy; <em> Rechts </em>: <rlmag_link productid="140005">Kristallvase Marion</rlmag_link>, <rlmag_link productid="140005">Sektschale Dagny</rlmag_link>
Links : Die Besitzerinnen des King, Jess Shadbolt, Annie Shi und Clare de Boer mit Jane Larkworthy; Rechts : Kristallvase Marion , Sektschale Dagny

„Man sollte vor allem des Essens wegen herkommen,” sagt de Boer. „Und wegen der guten Gespräche. Wir möchten nicht, dass dies von irgendetwas beeinträchtigt wird. Dabei fühlt es sich gar nicht so an, als würde man die Leute unterhalten, bis der Tisch gedeckt wird.“

Die Tische im gemütlichen Speisezimmer vom Kings bekommen gerade zusätzliche Verzierungen für ein vorgezogenes Friendsgiving Dinner. Kugelvasen mit weißen Blumen stehen auf dem langen Tisch neben verschieden hohen Kerzen. Vervollständigt werden die Tische von den Tellern aus Ralph Laurens Home-Kollektion mit Hornmusterrand in neutralen Farbtönen. Das Frankreich-trifft-auf-Norditalien-Menü wechselt jeden Tag. Was angeboten wird, wird am Abend zuvor festgelegt und hängt von nur wenigen entscheidenden Faktoren ab – der Jahreszeit, dem Reichtum der Natur und dem Wochentag.

„Es kommen an den verschiedenen Wochentagen unterschiedliche Leute zu uns“, erklärt de Boer. „Unsere Stammgäste kommen montags, um bei uns zu essen und sie sind sehr experimentierfreudig, deshalb servieren wir Speisen wie Ochsenzunge am ehesten an diesem Tag. Die Speisekarte richtet sich danach, wer wahrscheinlich kommt und worauf wir Lust haben.“

Für dieses Essen mit Freunden bevorzugen sie mit Marsala gewürzte Kürbiscremesuppe, langsam gekochte Schweineschulter mit Kakaobohnen und geschmortem Spinat, Tardivo-Soße und grünen Löwenzahn- und Radicchio-Salat, der mit den Fingern gegessen werden soll.

„Es gab viele Diskussionen darüber, ob der Tisch mit Besteck eingedeckt werden soll oder nicht“, erinnert sich Shi. „Letztendlich haben wir uns dagegen entschieden, weil die Leute das Panisse (gebratene Kichererbsen-Stäbchen) mit den Fingern essen sollen. Dieses zwanglose Zwischenspiel geht dann auf das Papier auf den Tischdecken über. Wir mögen es, wenn Gäste auf dem Papier herummalen.”

Das Essen heutzutage hat etwas Zwangloses, trotz der Blumen und – stöhn! – des Bestecks. De Boer vergleicht es mit einem Live-Konzert, während Shadbolt die Atmosphäre schätzt, die herrscht, wenn sich Freunde an den Feiertagen zum Essen treffen.

„Ich denke, es gibt eine Art Ritual, wie man den Tisch für ein Fest deckt“, erläutert Shadbolt, während Sie ihr Glas aus der Flasche Cornaline vom Weingut Hauvette nachfüllt. „Es gehört einfach zum Essen dazu, genauso wie nach dem Essen in der Küche zu stehen und das Geschirr abzuwaschen.”
 Tasse und Untertasse mit Hornmuster Gwyneth, Besteck Academy
Tasse und Untertasse mit Hornmuster Gwyneth, Besteck Academy

Die Gespräche am Tisch gehen weiter, getragen von Lachen und gesprochenen Toasts und erörtern auch, wer was zum nächsten Thanksgiving Dinner mitbringt. Die beiden Britinnen gestehen fröhlich, dass sie gerne ihren Gästen das Heft übergeben, während die New Yorkerin beschreibt, wie ihre chinesisch-amerikanische Familie über das Essen auseinander driftet.

Meine Mutter kocht immer dieses einfache chinesische Kohl-Rezept Bok Choy, mit Ingwer und ein wenig Knoblauch sautiert“, erklärt Shi. „Es ist sehr erfrischend und einfach und steht in keinem Fall dem Truthahn oder anderen traditionellen Gerichten nach. Mein Vater erwartet immer den Cranberry-Aspik von Ocean Spray – den aus der Dose.“

Das wird von den Britinnen mit starrem Blick quittiert. Nach einer Weile stellt Shadbolt eine Vermutung an. „Ist das ein Dessert?“ Die Amerikanerinnen am Tisch brechen in lautes Lachen aus – ein sicheres Zeichen dafür, dass Aspik aus der Dose nicht ins Menü aufgenommen werden wird.

Nicht einmal am Montag.
JANE LARKWORTHY schreibt seit 30 Jahren für Magazine, zuletzt für W Magazine, wo sie als Beauty Director tätig war. Außerdem schreibt sie als freie Autorin für Elle Decor und InStyle; ihre Kolumne „Jane Says“ findet man auf der Mode-Website Coveteur. Ihr Food Blog, The Fraudulent Chef, berichtet von Tops und Flops in der Küche.
  • Alle Fotos von Alex Lau; mit freundlicher Genehmigung der Ralph Lauren Corporation