Die Herstellung des Earth Polos

Von der weggeworfenen Flasche zum zeitlosen Design – entdecken Sie den Herstellungsprozess des Earth Polos

Stellen Sie sich vor: Ein einsamer Strand. Wellen, die in der Ferne tosen. Ein höchst unansehnliches Gefäß, das normalerweise nicht in der Natur zu finden ist, wird an Land gespült: Eine Plastikflasche, die kurzzeitig ein kohlensäurehaltiges Getränk beherbergte, einmal benutzt und dann gedankenlos entsorgt wurde, nur um in Haiti, Taiwan oder an einem anderen Ort fern ihres Ursprungs wieder aufzutauchen. Laut Informationen des Guardian werden weltweit eine Million Plastikflaschen pro Minute gekauft und es ist praktisch unmöglich, entsprechende Recyclingmaßnahmen umzusetzen. Im Ergebnis entstehen Plastikwirbel in den Ozeanen und Unmengen angespülter Plastikflaschen, die sich weit und breit an Stränden stapeln.

Dieses düstere Szenario inspirierte Ian Rosenberger zu einer Idee für Abhilfe. Er war in Haiti, um bei den Aufräumarbeiten nach dem Erdbeben von 2010 zu helfen. Wohlmeinende Organisationen spendeten abgefülltes Wasser für die von der Katastrophe Betroffenen. Dies führte jedoch zu einem unbeabsichtigten, enormen Anstieg von Plastikabfällen, die die Müllentsorgung des Inselstaates komplett überforderten. An den Stränden von Haiti bildeten sich Berge von Müll. „Wenn Haiti Müll in Geld umwandeln könnte, das = gut“, schrieb Rosenberger damals in seinem Tagebuch und machte sich sofort daran, diese Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Sein Konzept? Einheimische zu beschäftigen, um den Müll einzusammeln, und ihn dann in etwas Nützliches umzuwandeln – wie z. B. einen Stoff.

Er rief bei seiner Organisation First Mile an, die in der Folge ca. 90 Tonnen Kunststoff aus Haiti verschiffte, um ihn zu nutzbarem Stoff zu recyceln. Das ist nicht nur gut für den Planeten, sondern bringt auch Ressourcen für die lokale Wirtschaft. Und an genau dieses Unternehmen hat sich Polo gewendet, um die Herstellung des bahnbrechenden Earth-Poloshirts – das rechtzeitig zum Earth Day im April auf den Markt kommt – umzusetzen.

Die Entwicklung des Hemdes begann vor zwei Jahren mit einem absurd einfachen Konzept: Das legendäre Polohemd mit so wenig Umweltbelastung wie möglich neu aufzulegen und dabei die Qualität und das Tragegefühl, die es zu einem Klassiker machten, beizubehalten.

Die First-Mile-Initiative bezieht sich auf die sogenannte erste Meile der Lieferkette – im Wesentlichen auf den Ursprung der Stoffe. Selbst Unternehmen, die recycelte Stoffe verwenden, geben nicht immer preis, wer die Materialien einsammelt. Dabei handelt es sich in der Regel um eine gefährliche Arbeit, die von den ärmsten Mitgliedern der Gesellschaft geleistet wird. Wie uns der Direktor für Partnerschaften von First Mile erläuterte, bot sich hier eine offensichtliche Chance. „In Business-Fallstudien gilt die Aufmerksamkeit vor allem der letzten Meile – der Beförderung des Produktes zum Verbraucher“, so Kelsey Halling. „Und in der Modebranche stehen vor allem die Schneidereien und Nähereien [in denen die Produkte hergestellt werden] im Mittelpunkt. Wenn man die Lieferkette weiterverfolgt, stößt man auf so viele Schritte, dass die Nähe zur Marke verloren geht. Das gilt sogar fürs Recycling: selbst wenn man weiß, woher das Material stammt, ist noch immer nicht klar, wie es gesammelt wurde. Deshalb investieren wir genau dort unsere Zeit und Energie: in die Schaffung eines sozialen Sicherheitsnetzes für die Menschen, die bei uns arbeiten.“

Insbesondere verpflichtet sich First Mile zu völliger Transparenz darüber, wo und wie (und von wem) Materialien bezogen werden – soweit, dass Polo Ihnen theoretisch sagen könnte, wer genau die Flaschen für das Earth Polo gesammelt hat. First Mile zahlt außerdem existenzsichernde Löhne und bietet seinen Partnerunternehmen sogar Kredite an, um deren Erfolg durch finanzielle Stabilität zu sichern. Durch seine Tätigkeit kann First Mile auch eine Nachfrage erzeugen, wo diese vorher nicht vorhanden war. Auch hier dient Haiti wieder als Beispiel: Das ursprüngliche Problem (übermäßiger Plastikabfall) wird zur Chance (Verkauf dieses Kunststoffs an Unternehmen, die es in etwas Nützliches umwandeln). Gut oder schlecht – hier handelt es sich um eine Quelle, die wohl noch lange vorhanden sein wird. „Man fragt uns oft ‚Was macht ihr, wenn ihr kein Plastik mehr findet?‘“, sagt Halling. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das im Laufe meines Lebens passieren wird.“

Im Fall des Earth Polos erwarb First Mile den Kunststoff von seinen Partnern in Taiwan. Der Kunststoff wurde in weiches Piqué umgewandelt, das so gut ist, dass es die hohen Qualitätsstandards von Polo übertrifft. (In der Tat konnten verschiedene Mitarbeiter von Polo die Stoffe im unmittelbaren Vergleich miteinander nicht unterscheiden.) Jedes Hemd wird aus ca. zwölf Plastikflaschen hergestellt und sogar die Etiketten und Anhänger bestehen aus recyceltem Material. Und falls/wenn Sie es nicht mehr tragen möchten, kann es komplett recycelt werden. Entsprechend des umweltfreundlichen Konzepts wird das Hemd mit einer einzigartigen Kohlenstoff-Färbetechnik gefärbt, die beim Auftragen komplett ohne Wasser auskommt.

Und obgleich es manchem gewagt erscheinen mag, einen Klassiker wie das Polohemd neu zu gestalten, sah das Team von First Mile hier einen offensichtlichen Erfolgsgaranten. „In der Regel nimmt man Innovationen nicht dort vor, wo etwas gut funktioniert“, sagt Halling. „Es war eine wirklich coole Entscheidung der Marke. Ein Grund, warum sich Nachhaltigkeit so schwer durchsetzen lässt, ist, dass sie oft in Nischenprodukten oder kleinen Kapselkollektionen versteckt wird. Aber das hier ist kein neues sonderbares nachhaltiges Hippie-Produkt, sondern ein klassischer Look.“​​

Das Earth Polo ist in den vier Farben Marineblau, Babyblau, Stuart-Grün und Weiß erhältlich. Es sind genau die Farben, in denen sich unser Planet aus der Ferne zeigt. (Weitere Farben sind in Arbeit.) Die nächste Herausforderung: zu entscheiden, welches Polo-Produkt als nächstes in der gleichen Weise wie das Earth Polo überarbeitet werden soll. Die Marke hat sich dazu verpflichtet, unseren Planeten bis 2025 vor der Verschmutzung durch 170 Millionen Flaschen zu schützen. Auch wenn unsere Quellen Stillschweigen über das nächste Projekt bewahren, gemessen an den vom Earth Polo gesetzten Maßstäben, lohnt sich das Warten ganz bestimmt.

PAUL L. UNDERWOOD war früher als Redakteur bei Ralph Lauren tätig. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Austin, Texas.
  • Bilder mit freundlicher Genehmigung von Ralph Lauren Corporation und First Mile